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Das letzte Geheimnis

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Das letzte Geheimnis

Oder: Am Ende eines langen Wegs

Anthologie aus dem net-Verlag 

Geheimnis … eine Suche beginnt

Über die Ausschreibung

Geheimnisse wurden gesucht, in allen Facetten: spannende Krimis, listige Detektive, findige Schatzsucher, lustige und aufregende Abenteuer, aber auch Liebes- und Familiengeschichten sowie fantastische Erzählungen. Hauptsache: 🔮  geheimnisvoll  🔑 !

Motiv(ation)

Schon immer waren des Menschen größte Meilensteine, seine Geburt und sein Tod, gleichzeitig auch seine größten Geheimnisse. Geburt, weil wir nicht (mehr?) wissen, wo wir herkommen – und alles beginnt. Tod, weil wir (noch?) nicht wissen, wohin wir gehen – und es endet (oder auch nicht, das ist die Glaubensfrage). 

Die Story

Rückblende

Meister Sebastian Quast kam vor über 90 Jahren zur Welt. Im Moment kann er sich nur noch erinnern, wie seine kupferne Standuhr sieben Mal schlug und er sich aus seinem waldgrünen Ohrensessel stemmte, um zu Abend zu essen. Er weiß auch noch, dass er an dunkles Brot mit Schinken, dazu eine Flasche leichten Bieres dachte. Danach jedoch bricht seine Erinnerung an den Tag, wie leer gefegt, ab.

Meister Sebastian Quast fand sich in einem schummrigen Höhlenkorridor wieder. Unablässig mit knochigen Fingern über sein schlohweißes Ziegenbärtchen streichend kniff er die Augen zusammen. Sein Atem floh rasselnd in einen sich endlos dahin windenden Wurmgang und in der Ferne verlor sich sein Blick in vager Finsternis. Links streckten sich Spiegel an  schiefergrauer Wand blind dahin, gegenüber auf Türen diverser Größe, Form und Farbe blickend. Kein Geruch herrschte an diesem Ort. Hart kniff er seine Wangen. Es schmerzte, folglich fantasierte er nicht. Kräftig stampfte er auf, wie er es als Kind tat, wenn er sich nicht sicher war, ob er am Tage träumte. 

Schlüsselfrage

Alles bizarr und (alb-)traumhaft genug, doch dann steht er unversehens vor der ersten Tür und ein gigantischer Schlüsselbund materialisiert sich in seinen Händen. So beginnt Meister Quasts Reise in seine Vergangenheit, eine mal heitere, mal zutiefst schmerzliche Voyage Dans le Passé. Dabei geben die Türen nur Geräusche und Gerüche alter Tage preis, verweigern aber jeden Blick hinter ihre Fassade. Bis auf die letzte aller Türen …

Kindheit

Sogar Mutters großartigen Apfelstrudel roch er nun, konzentrierte sich auf diesen bittermandeligen Geruch, vom Lebensbeginn zu ihm herüberfließend.

Jugend I

Auch dieses Portal blieb ihm verschlossen. Jedoch ertönten dahinter die Stimmen ehemaliger Kommilitonen, verlorener Freunde, vergessener Professoren. Erneut ergriff ihn jene Begeisterung, mit der er damals den Campus betrat, um Medizin zu studieren. Jedoch, sein Glück währte nicht lang. Nachdem der Krieg seine Orkus-Hand auf Land, Stadt und Universität gesenkt hatte, gab es keine Alma Mater mehr. 

Jugend II

Hinter dem verriegelten Portal zischten Granaten gleich fauchenden Monstern gierig auf. Abermals durchlitt Meister Quast jene grauenhafte Geräuschkulisse, ertrug mit zusammengepresstem Kiefer die Schreie derer, die sich nicht rechtzeitig vor den lodernden Feuerzungen retten konnten – unter ihnen sein bester Freund. Das Schlimmste jedoch war die Stille danach. Als endlich Ruhe, aber kein Frieden eingekehrt war.

Rettung

In fremdem Land finden Vater und Mutter Quast mit den Geschwistern Sebastian, Johann und Marie Unterschlupf bei einem Schneider mit Herz.

(…) durchlebte er nochmals fröstelnd, wie er mit seiner Familie, ausgelaugt von strapaziöser Flucht, nach endlosen Fußmärschen und bitterkalten Nächten, an einem eisnebelverhangenen Sonntagmorgen in eine Stadt taumelte. Ein ausgemergelter Mann öffnete die Tür, an die sie klopften, um etwas Essbares zu erbetteln.

(…) Nach ihrer ersten Mahlzeit seit Tagen, graues Brot, gelber Speck, Salz und Tee, an einem wuchtigen, wurmstichigen Holztisch eingenommen, bot ihnen der Mann ungefragt an, bei ihm auszuruhen. Ohne eine Antwort abzuwarten, setzte er sich hart hustend an seine Nähmaschine.  Nie wurde darüber gesprochen, aber die Größe des Tisches, die Anzahl der Schlafstätten erzählten davon, dass er seine Familie an den Krieg verloren hatte.

Dankbarkeit

Anfangs setzt sich der junge Sebastian nur an die Nähmaschine, um dem offenbar kranken Schneider zu helfen. Aber … 

Erst eine Woche später fand sich ein Arzt, auf der Durchreise wie so viele. Für den Preis eines Speckbrotes untersuchte er den Schneider. Anschließend schüttelte er stumm den grau behaarten Kopf. Ernst nickte der Schneider dazu, spürte wohl den gegenwärtigen Tod. 

Metamorphose

Der Schneider vererbt Haus und Nähmaschine und somit (Über-)Lebenschancen an Familie Quast.

So wurde aus dem aufstrebenden Studiosus Sebastian schlagartig Meister Sebastian Quast, der von nun an als Schneider das Überleben seiner Familie sicherte.

Lebensportale

Meister Quast wird an weiteren Türen lauschen und unter seinen Erinnerungen werden schöne, bewegende, fröhliche sein. Aber nicht nur.

Dann ist da noch die letzte Tür ⌛.

Eine schlichte Papptür lud ihn ein, nur angelehnt. Er spähte durch ihren Spalt, nichts konnte er erkennen. Plötzlich klimperte der Schlüsselbund wie lebendig in seinen Händen. Zur vollen Größe aufgerichtet, Muskeln angespannt, Kopf in den runzeligen Nacken geschoben, warf er den Schlüsselbund mit aller Macht den Korridor hinab, der sich unverändert ins Unendliche dehnte.

Link zum net-Verlag

https://www.net-verlag.net/

Mein Lieblingszitat aus Das letzte Geheimnis 

Gewissenhaft wickelte er ein Bonbon aus dem Papier, steckte es in den Mund. Lutschte. Das Eukalyptusaroma wischte den pelzigen Geschmack von seiner Zunge, verringerte das Gewicht an seinen Füßen.

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